Dienstag, 21. März 2023

Kryobehandlung von Stahl

Ich möchte im folgenden versuchen Metallbohrer bei tiefen Temperaturen zu härten. Motiviert hat mich dazu Ben Krasnow auf seinem YouTube Kanal Applied Sience. Allerdings werde ich es im Gegensatz zu ihm mit Trockeneis anstatt mit flüssigem Stickstoff versuchen.

Physikalisch betrachtet findet beim Härten von Stahl durch Erhitzen und Abschrecken des Materials die nach Adolf Martens benannte martensitische Umwandlung vom kubisch-flächenzentrierten Gitter des Austenits zum tetragonal raumzentriertes Gitter des Martensits statt. Dadurch erfolgt bei Vorhandensein geringer Mengen von Kohlenstoff eine deutliche Steigerung der Materialhärte. Da das Abkühlen i.d.R. nur auf Raumtemperatur erfolgt, verbleibt stehts eine bestimmte Menge an Restaustenit. Dieses Austenit kann durch Tiefkühlung weiter umgewandelt werden.

Für meine Versuche habe ich 3kg Trockeneis mit einem Pellet Durchmesser von 3 mm bestellt. Es wird in einer Thermo-Styropor-Box geliefert. 

Eile ist geboten denn erfahrungsgemäß ist diese Menge an Trockeneis innerhalb eines Tages bei Zimmertemperatur zu Kohlendioxid sublimiert. Trotzdem will ich vor den eigentlichen Versuchen zum Härten von Stahl einige der klassischen Versuche durchführen, die man typischerweise mit Trockeneis macht.

Das Bild unten zeigt wie sich über einer Schüssel mit Trockeneis und warmem Wasser durch das Kondensieren von Luftfeuchtigkeit Nebel bildet.

Als nächstes habe ich eine Seifenblase auf dem Kohlendioxid das sich in der Schüssel befindet schweben lassen.

Und durch die Zugabe von etwas Spülmittel kann man einen 'Vulkan' aus Seifenblasen erzeugen, weil laufend neues Gas entsteht.

Zu guter Letzt haben wir zur Freude meines Sohnes Eis gemacht. In einen halben Liter Milch habe ich einen halben Becher Sahne und etwas Himbeersirup gegeben, und anschließend unter permanentem Rühren Trockeneis zugegeben. Durch das ca. -78°C kalte Trockeneis beginnt die Mischung rasch zu gefrieren. 

Je länger das Eis gerührt wird desto weniger schmeckt das Eis später nach Kohlensäure.

Doch nun zum eigentlichen Experiment, der Kryobehandlung von Stahl. 

Ich habe mir hierfür zwei identische 6 mm Bohrer aus rolliertem Hochgeschwindigkeitsstahl (HSS-R) besorgt.

Einen dieser Bohrer habe ich für ungefähr 1 h in eine Kältemischung aus Spiritus und Trockeneis gelegt. Der Gefrierpunkt von Ethanol liegt bei etwa -114° C. Die Mischung bleibt also flüssig und das Ethanol sorgt für einen guten thermischen Kontakt zum Trockeneis.

Um die Standzeit der beiden Bohrer miteinander vergleichen zu können, muss bei jedem Bohrvorgang die gleiche Kraft auf den Bohrer wirken.

Deshalb habe ich an den Handkranz meiner Tischbohrmaschine eine 50 cm lange Gewindestange geschraubt, und während des Bohrens einen 1,5 kg schweren Hammer an die Stange gehängt. Als Werkstück dient ein 8 mm starker Abschnitt aus warmgewalztem Flachstahl vom Typ S235JR. Nach EN 10025 sollte dieser eine Zugfestigkeit von 360-510 N/mm2, eine Dehngrenze > 235 N/mm2 und eine mindest Bruchdehnung von 19/17 also 111 % aufweisen. Wenn die 1,5 kg des angehängten Hammers nicht mehr ausreichen um das Flacheisen zu durchbohren soll der Bohrer als verschlissen gelten. 

Unmittelbar fällt die unterschiedliche Qualität der erzeugten Bohrspäne auf. Der kryobehandelte Bohrer erzeugt typischerweise einen breiten Span (rechts im Bild) und der nicht behandelte Bohrer einen eher dünnen Span (links im Bild).

Bei einer Umdrehungszahl von 500 /min absolvieren beide Bohrer 35 Bohrungen problemlos. Im Bild unten sind links die Bohrungen mir dem kryobehandelten Bohrer und rechts die mit dem unbehandelten Bohrer zu sehen.

Für unlegierte Baustähle mit Zugfestigkeit < 500 N/mm2 wird eine Schnittgeschwindigkeit von bis zu 40 m/min empfohlen. Für einen Bohrer mit 6 mm Durchmesser rechnet sich diese maximale Schnittgeschwindigkeit gemäß 40 * 1000 / (pi * 6 mm) in eine maximale Drehzahl von 2100 U/min um. Gemäß der sogenannten Taylor Geraden führt eine Erhöhung der Schnittgeschwindigkeit bzw., Drehzahl zu einer Abnahme der Standzeit die einem Potenzgesetz folgt.

Um die Bohrer schneller verschleißen zu lassen, habe ich daher die Drehzahl auf 2500 U/min erhöht.

Die Änderung wird sofort an den erzeugten Spänen sichtbar. Die Späne sind nun eher kurz und bräunlich gefärbt.

Nach 9 Bohrungen bei dieser Drehzahl ist für den unbehandelten Bohrer Schluss. Die 1,5 kg Gewicht des angehängten Hammers reicht nicht mehr aus um das Eisen zu durchbohren. Der kryobehandelte Bohrer schafft weitere 18 Bohrungen. Im Bild unten sind rechts die Bohrungen des unbehandelten und links die des kryobehandelten Bohrers zu sehen.

Betrachtet man sich die Spitze des unbehandelten Bohrers im Bild unten so weist diese nach den Tests deutliche Abnutzungserscheinungen auf. Die Schneide des kryobehandelte Bohrer im Bild oben erscheint hingegen noch recht scharf.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Behandlung des Bohrers überraschend gute Ergebnisse erzielt hat, und die Standzeit des Bohrers deutlich verlängert wurde.


Viel Spaß beim selber Experimentieren...

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