Donnerstag, 24. Februar 2022

Spritzgießen mit einer Heißklebepistole

Anleitungen zum Bau von Spritzgußanlagen für Kunststoffe gibt es im Internet viele. Egal ob voll automatisch, halb automatisch oder händisch, alle Ansätze die ich gefunden habe sind mit erheblichem maschinellem Aufwand verbunden.

Der Schmelzpunkt von Low Density Polyethylen (LD-PD) beträgt ca. 115°C, der von HD-PE 130–145°C, der von Polypropylen (PP) ca. 160 °C und der von isotaktischen Polystyrol (PS) 240 °C. Ich habe mir daher überlegt ob sich das Spritzgießen nicht auch mit einer handelsüblichen temperaturregelbaren Heißklebepistole realisieren lässt. Das Bild unten zeigt die geöffnete Pistole.

Ich habe den Vorschubmechnismus für die Klebesticks entfernt und einen Trichter für Kunststoffgranulat angebracht.

Ein 11 mm HSS-Spiralbohrer soll nun anstelle der Klebesticks als Stößel dienen.

Um während des Einspritzvorgangs besser Druck ausüben zu können, habe ich den Bohrer mit Epoxidharz in einen gedruckten Kunststoffkegel geklebt.

Die ersten Versuche mit geschmolzenen Joghurtbechern aus Polystyrol sind erfolgversprechend.

Deshalb habe ich begonnen Spritzgussformen zu konstruieren. 

Ich möchte Chips mit den Abmessungen einer 1 Euro Münze spritzgießen, so dass diese dann z.B. für Einkaufwägen im Supermarkt genutzt werden können. Die Formen sollen aus Alu gefräst, und mit 3 mm Stahlstiften zueinander ausgerichtet werden können. Zunächst wird eine Halbschale im 'PartDesign' Modus von FreeCAD gezeichnet. Um Schrift hinzuzufügen wird im Draft Modus 'aus Text eine Form' erstellt. Zunächst die gewünschte Ebene markieren, dann diese mit der Schaltfläche 'current working plane' auswählen. Über die Schaltfläche 'erzeugt aus Text eine Form' gelangt man in das Textform Menü.

Hier kann die Zeichenfolge, die Schriftgröße und eine *ttf Datei für die Schriftart angegebenen werden. Das dadurch  erzeugte 'ShapeString' Objekt kann anschließend ausgewählt, und im 'PartDesign' Modus extrudiert werden. Die fertig konstruierte Halbschale sieht dann wie folgt aus. 

Die Messingspitze der Heißklebepistole passt in die Öffnung mit einem Durchmesser von 4,6 mm an der Oberseite.

Den zum CNC Fräsen notwendigen G-Code habe ich mit EstlCAM erstellt. Hierzu kann die aus FreeCAD exportierte *.stl Datei in EstlCAM geladen werden. Anschließend sollte das Modell horizontal gespiegelt werden, damit Schriftzüge auf dem Spritzgußteil später richtig richtig dargestellt werden.

Breite, Länge und Höhe werden automatisch aus dem Modell entnommen. Dann kann die 'freie Bearbeitung' gestartet werden. Ich verwende einen für Aluminium geeigneten, einschneidigen Hartmetall Schaftfräser mit 1 mm Durchmesser. Zum Fräsen verwende ich eloxierfähiges, rohes Alu nach EN AW 6060 mit den Maßen 33 x 30 x 8 mm. Als Faustregel gilt, dass bei weichem, langspanendem Aluminium eine Schnittgeschwindigkeit zwischen 100 und 500 m/min, und bei den hier verwendeten harten Aluminiumlegierungen von 100 bis 200 m/min gewählt werden soll. Die Schnittgeschwindigkeit vc definiert die Drehzahl n über folgenden Zusammenhang

n = vc / (d x pi)

Dabei kennzeichnet d den Fräserdurchmesser. Bei einer Schnittgeschwindigkeit von 100 m/min errechnet sich für einen 1 mm Fräser also eine Drehzahl von 31k U/min. Grundsätzlich gilt, je höher die Drehzahl desto glatter auch die Oberfläche. Ich habe daher die für meinen Motor maximal mögliche Drehzahl von 20k U/min gewählt.

Die Vorschubgeschwindigkeit vf errechnet sich aus der Umdrehungszahl durch

vf = n * z * fz

Dabei gibt z die Anzahl der Schneiden am Fräser von hier 1 an, und fz den Zahnvorschub in mm/Zahn. Bei Aluminium gilt in der Regel 0,1 mm/Zahn. Für eine Umdrehungszahl von 20k U/min errechnet sich daraus ein Vorschub von 2 m/min. In der Praxis erzeugt man damit aber für die kleine 'CNC 3018 Pro' Maschine zu große Kräfte. Es kommt zu Vibrationen, das Fräßbild wird ungenau, und der Fräser bricht rasch. Ein Vorschub von ca. 40 mm/min hat sich als günstig erwiesen. In Summe empfehlen sich folgende Einstellungen.

Ich habe den Code zunächst an kleinen XPS Stückchen getestet, die ich aus einer 2 cm dicken Stryrodurplatte geschnitten habe. 

Da sowohl der Frästisch als auch der Aluminiumblock nicht ganz eben sind, sollte die gesamte Oberfläche gefräst werden. Obwohl das Ergebnis rau wirkt, hinterlässt der Fräser tatsächlich nur kleinste Unebenheiten.

Ich habe die Form anschließend noch mit einer kleinen Drahtbürste am Multitool poliert. Die Verwendung von Formentrennmittel ist sehr wichtig.

Andernfalls brennen sich bald Rückstände ein, und das Werkzeug wird rasch unansehnlich.

Beim eigentlichen Spritzgußvorgang habe ich die Aluminiumformen mit einer Heizplatte auf einer Temperatur von ca. 200°C gehalten. Die beiden Formhälften werden mit einer Schraubzwinge zusammengehalten.

Die Temperatur kann mit einem Infrarot Thermometer gemessen, und die Heizplatte entsprechend nachgeregelt werden.

Und so sieht ein Chip aus HDPE dann nach dem Abkühlen und Entformen aus. 

Um unvollständig gefüllte Bereiche im Spritzgußteil zu vermeiden, sollte solange flüssiger Kunststoff nachgedrückt werden bis er aus der Form quillt. Nach dem Entgraten sieht der fertige Chip dann einer Euro Münze schon ähnlicher. 


Das Spritzgießen geht tatsächlich recht rasch. In weniger als einer halben Stunde habe ich den unten gezeigten kleinen Berg an Münzen hergestellt. 


Viel Spaß beim Spritzgießen der eigenen Kunststoffteile...


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